„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Detlef Zöllner antwortet auf Georg Northoff

Eine Diskussionsrunde, vielleicht in Form eines Forums, zur Neurophilosophie würde ich sehr begrüßen und auch gerne daran teilnehmen. Hier aber erstmal eine Reaktion auf Ihre Anmerkungen. Ich folge dabei chronologisch Ihrer Gliederung:
  • Der „Körperleib“ von Plessner beinhaltet der Struktur nach schon Ihr „Umweltgehirn“. Der Körper bildet aber nicht nur eine Umwelt, sondern eine Grenze zwischen Innen und Außen. Das steht übrigens auch so im neuen Buch von Antonio Damasio: mit dem ziemlich dümmlichen deutschen Titel „Selbst ist der Mensch“; oder englisch: „Self comes to Mind“ (2010), was die Sache viel besser auf den Punkt bringt. Damasio ist tatsächlich der Ansicht, daß Gehirn und Körper auch empirisch so eng miteinander verbunden sind, daß der Übergang vom einen zum andern nur schwer auszumachen ist. Der Begriff der Umwelt paßt nicht auf den Körper; höchstens im Sinne eines ‚Milieus‘, in dem das Gehirn schwimmt.
  • Ich spreche also anders als Sie in jedem Fall von einer Sonderstellung des Körpers. Seine ‚Inputs‘ werden vom Gehirn prinzipiell anders ‚bewertet‘ als die der Außenwelt.
  • Zu Ihrem dritten Punkt: Zustimmung!
  • Ich stelle die transzendentale Frage nicht, weil sie den Körper umgeht, anstatt ihn in den Blick zu nehmen. Wir wissen um die Grenze, weil wir einen Körper haben. Jedes weitere ‚Warum‘ führt in die Metaphysik oder in empirische Spekulation.
  • Bei der Frage, ob es eine transzendentale Fragestellung ausmacht, eine indirekte Methode zu verwenden, bin ich mir unsicher. Allerdings habe ich Sympathie für die Übertragung transzendentaler Fragen auf Verhältnisbestimmungen und Strukturen. Auch Plessners Körperleib stellt eine Verhältnisbestimmung dar, und Plessner war der Meinung, so die Metaphysik vermeiden zu können. Verhältnisbestimmungen eröffnen Zwischenräume, die als Spielräume für freies Denken und selbstbestimmtes Handeln in Frage kommen.
  • Sie versuchen, Episteme und Empirie zu verknüpfen und damit Reduktionismus zu vermeiden. Episteme ist ‚Wissen‘, Empirie ist ‚Methode‘, denn das Wort ‚Erfahrung‘ spielt heutzutage in der Empirie nur noch eine untergeordnete Rolle. An ihre Stelle tritt meistens Mathematik. Plessner war aber der Ansicht, daß eine am Körperleib ansetzende Anthropologie die ganze Erscheinungsvielfalt des Menschlichen einbeziehen muß, um auch nur seine Biologie verstehen zu können. Also nicht von der Biologie her den Menschen erklären, sondern vom Menschen her seine Biologie erklären: darauf kommt es an.
  • (zu Körper I:) Der Metabolismus ist mehr als nur die Zufuhr von Energie. Er bildet als ‚Stoffwechsel‘ ein wesentliches Moment der Doppelaspektivität von Innen und Außen.
  • (zu Körper II:) Ich gehe nicht vom Körper ohne Gehirn aus. Die Gegenüberstellung von Körper und Gehirn beinhaltet erstens: das Gehirn beobachtet/kontrolliert den Körper, und zweitens: der Körper beobachtet/kontrolliert das Gehirn. Erst in dieser Verhältnisbestimmung eröffnet sich der Bewußtseinsraum.
  • (zu Körper III:) Weitgehend Zustimmung. Die Frage ist nur, wie wir diesen Sachverhalt im Detail strukturieren und wie wir ihn insgesamt bewerten.
  • (zu Körper IV:) Weitgehend Zustimmung. Am Unterschied zwischen phänomenal und prä-phänomenal mache ich den Unterschied zwischen bewußt und unter-bewußt fest.
  • Wenn es darum geht, Disziplingrenzen aufzuheben, dann bitte im Plessnerschen Sinne: das ganze Spektrum der Wissenschaften muß der Erkenntnis des Menschen (also über sich selbst) dienen! Ansonsten brauchen wir aber die Disziplingrenzen, weil sie den Wechsel von Perspektiven und Fragestrukturen markieren. In dieser Differenz von Fragestrukturen liegt ein eigenes Wissenspotential, das durch Nivellierung verloren zu gehen droht.
  • Zum letzten Punkt: kein Kommentar ...

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