„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Freitag, 6. April 2018

Das Licht des Glaubens

1. Glaube als Argumentationsmodus
2. Glaube als Vernunft
3. Glaube als Sinnesorgan
4. Glaube als Kommunikationsform: persönliches Angesprochensein
5. Glaube als Kommunikationsform: Vermittlung
6. Glaube als Kommunikationsform: Nächstenliebe
7. Glaube als Unterwerfung
8. Glaube als Unglaube
9. Glaube als Reinheit

Von der Nächstenliebe ist explizit nur an einer Stelle in lumen fidei die Rede. Dabei wird aber eher eine Verbindung zur Gerechtigkeit als zur Barmherzigkeit hergestellt. (Vgl.Nr.51) Im weiteren Verlauf dominieren die Themen Familie und Gemeinschaft. Daß Jesus seine Nächsten nicht in der Familie gesehen hat, sondern bei den am Rande der Gesellschaft Stehenden gesucht hat, kommt erst im letzten Kapitel der Enzyklika zur Sprache, das wohl von Franziskus stammt und nicht von Benedikt. In diesem Kapitel werden Franz von Asissi und Teresa von Kalkutta erwähnt, die sich um Leprakranke und Arme kümmerten. (Vgl.Nr.57)

Ansonsten gibt es ohne expliziten Verweis auf die Nächstenliebe im ganzen Text der Enzyklika verstreute Hinweise: „Im Glauben dehnt sich das Ich des Glaubenden aus, um von einem Anderen bewohnt zu sein, um in einem Anderen zu leben, und so weitet sich sein Leben in der Liebe.“ (Nr.21) – Aber diese Formulierung ist zweideutig. Sie beinhaltet sowohl eine Ethik wie auch eine Enteignung. Jesu Gebot, daß wir den Nächsten lieben sollen wie uns selbst, wird in dieser Formulierung nicht zum Ausdruck gebracht.

Oder: „Gott kann nicht auf einen Gegenstand reduziert werden. Er ist der Handelnde, der sich zu erkennen gibt und sich zeigt in der Beziehung von Person zu Person.“ (Nr.36) – Diese Formulierung kommt dem Gebot der Nächstenliebe am nächsten: Nächstenliebe ist Gottesliebe, ohne daß ein Mittler dazwischen treten muß. Auch Jesus wollte nur in der Person des Entrechteten und Verachteten begegnet werden. Wer sich den am Rande der Gesellschaft Stehenden zuwendet, so Jesus, wendet sich ihm zu. Nicht um die Gemeinschaft der weißen Schafe, sondern um das der Gemeinschaft verlorengegangene schwarze Schaf wollte sich Jesus zuallererst kümmern.

Das kommt auch in einer Formulierung zum Ausdruck, wie sie wohl von Franziskus stammt: „Der Glaube lehrt uns zu sehen, dass in jedem Menschen ein Segen für mich gegeben ist, dass das Licht des Antlitzes Gottes mich durch das Gesicht des Bruders erleuchtet.“ (Nr.54) – Daß beim Wort ‚Bruder‘ nicht der Gemeinschaftsgedanke im Vordergrund steht, sondern es gerade um diejenigen geht, die von dieser Gemeinschaft ausgeschlossen sind, hat Franziskus gezeigt, als er die schiffbrüchigen Elendsflüchtlinge auf Lampedusa besuchte.

Die Zuwendung zu den Ausgestoßenen und Entrechteten, wie sie dem Jesuanischen Liebesgebot entspricht, hat nichts mit Missionierung zu tun. Es geht hier nicht um deren „Gesinnung“ (Nr.21). Sie müssen nicht auf den rechten Weg geführt werden. Es geht nur darum, ihnen zu helfen.

Bei den in den letzten Posts diskutierten drei Kommunikationsformen des persönlichen Angesprochenseins, der Vermittlung und der Nächstenliebe haben wir es mit zwei Kommunikationsformen zu tun, in denen der Glaube keiner Vermittlungsautorität bedarf. Über beide Kommunikationsformen wird in lumen fidei vergleichsweise wenig gesagt, am wenigsten über die Nächstenliebe. Die Nächstenliebe wird eigentlich nur angedeutet und nicht systematisch entfaltet.

Wenn von „Liebe“ die Rede ist, handelt es sich vor allem um eine geistige Liebe, deren bevorzugter Dialogpartner die griechische Philosophie ist. (Vgl.Nr.32) Die Liebe ist vor allem eine Sache der Vernunft und die Vernunft wiederum eine Sache der Lehrautorität der Kirche, der sich der Gläubige hörend und gehorsam zuwendet. Davon mehr im folgenden Post.

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