„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Freitag, 21. Juli 2017

Skulptura Münster 2017

1. ‚Noch nicht‘
2. Weitere Suchbewegungen
3. Wem gehört der common ground?
4. Jahrmarktseffekte

Meine Schwester beschrieb mir ihre Eindrücke von einigen Skulpturen, die sie im Rahmen einer Führung kennenlernte; u.a. folgenden:
„Auf der Dachterasse des Theaters hingen mehrere Kabel, an deren Ende Schalter/Knöpfe angebracht waren. Jeder kann sie betätigen und dann unterschiedliche Videos/Einzelbilder betrachten. Besonders witzig fand ich, dass im Fenster eines Gebäudes, das man von der Dachterasse aus sehen konnte, verschiedene kurze Videosequenzen auftauchten, sobald man einen bestimmten Knopf drückte. Es erschien eine Frau im Fenster, die zu uns auf der Terasse herüberwinkte. Beim nächsten Drücken auf den Schalter nahm sie einen Fotoapparat und schien genau uns zu fotografieren, dann wieder hob sie ein Schild hoch, auf dem gut lesbar eine kurze Botschaft geschrieben war.“
Der ‚Witz‘ dieser Inszenierung ist genau das Problem. Meine Schwester fühlte sich zurecht gut unterhalten. Denn letztlich geht es um Unterhaltung, um Entertainment. Nichts gegen gute Unterhaltung. Aber worin liegt das künstlerische Surplus?

Edmund Husserl beschreibt, wie er beim Besuch eines Panoptikums einer automatischen Puppe begegnete, die ihm zuzwinkerte. Zunächst hatte er sie für einen echten Menschen gehalten. Ich kann mir vorstellen, wie er zögerte: Soll ich zurückzwinkern? Soll ich diese zweifelhafte Geste (und Dame) ignorieren? Aber auch als er die ganze Sache durchschaut hatte, fiel er trotz besseren Wissens immer wieder in die Illusion zurück, es mit einem wirklichen Menschen zu tun zu haben. Hans Blumenberg hat zu dieser Szene geschrieben, daß Jahrmarktseffekte, in denen inszenierte Situationen mit der Realität konkurrieren, niemals Kunst sein können.

Ich denke, das gilt auch heute noch.
PS: Als ich bei meiner Schwester nachfragte, worin genau die „kurze Botschaft“ bestanden habe, antwortete sie: „Weiß ich nicht mehr. Irgendwas Witziges.“
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