„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Samstag, 20. Dezember 2014

Geistes- und Naturwissenschaften

Ein Resümee meines Blogs

In der Diskussion zu einem Blogartikel vom Nesselsetzer stellte mir der Nesselsetzer zwei Fragen. Die Beantwortung dieser Fragen geriet mir unter der Hand zu einer Zwischenbilanz meines Blogs zur Erkenntnisethik. Das paßt zum Jahresende, und ich denke, das Thema ist wichtig genug, um meine Antworten aus dem Kommentarbereich eines anderen Blogs herauszunehmen und an prominenterer Stelle als eigenen Postbeitrag zu präsentieren.
„1) Wie sollte eine einheitliche ‚lebensweltliche Basis‘ deklariert werden, so dass sie als gesichert gilt und von jedermann objektiv nachvollzogen werden kann?“
Diese Frage geht davon aus, daß eine einheitliche lebensweltliche Basis „deklariert“ werden kann. Das von Edmund Husserl stammende Konzept der Lebenswelt basiert aber gerade darauf, daß die Lebenswelt prinzipiell nicht deklariert werden kann. Sie ‚fungiert‘, wie die Phänomenologen sagen, immer im Hintergrund bzw. im Rücken der menschlichen Akteure und koordiniert auf unbewußte Weise deren kollektives Verhalten. Die „Lebenswelt“ war Husserls Antwort auf die Frage, wie Intersubjektivität funktioniert. Individuen bzw. ‚Subjekte‘ können mit anderen Subjekten kommunizieren, weil sie die gleiche Lebenswelt miteinander teilen. Über die Lebenswelt aber können sie nicht miteinander kommunizieren; jedenfalls nicht konkret und im Detail. Die Lebenswelt bildet einen blinden Fleck im Fokus unserer Aufmerksamkeit.

Sobald wir bestimmte lebensweltliche Momente zu thematisieren versuchen, verlieren sie ihre Verbindlichkeit. Sie können unsere Kommunikation nicht mehr stützen, weil wir sie durch die Thematisierung befragbar machen. Eine in Frage gestellte Lebenswelt ist keine Lebenswelt mehr. Der Zweifel bildet keine lebensweltliche Option.

Es gibt, wenn wir einmal von den „Strukturen der Lebenswelt“ (1982) von Thomas Luckmann und Alfred Schütz  absehen, drei Nachfolger des Husserlschen Lebensweltkonzepts: Niklas Luhmann, Jürgen Habermas und Hans Blumenberg, die alle drei den Lebensweltbegriff spezifisch modifiziert haben. Luhman hat die Lebenswelt als ‚System‘ aufgefaßt. Seine Systemtheorie basiert auf dem Konzept der „Erwartungserwartungen“, das bei ihm zur Grundlage einer kybernetischen Maschinerie wird. ‚Subjekte‘ bilden innerhalb des Systems der Erwartungserwartungen voneinander unabhängige Subsysteme, die füreinander Umwelten bilden. Diese Systeme interagieren miteinander, indem sie die Erwartungen der anderen Systeme bezüglich ihres Handelns weniger antizipieren, als vielmehr berechnen. Gleichzeitig sind sie blind für das tatsächliche Innenleben der anderen Systeme. Diese Systeme sind in sich zentriert. Es befindet sich kein exzentrisch positioniertes Subjekt auf ihrer Grenze zur ‚Umwelt‘ der anderen Systeme. Da Subjektivität aber für Husserls Phänomenologie unhintergehbar ist, hat Luhmann Husserl also gleichzeitig beerbt und seine Phänomenologie abgeschafft. Luhmann gehört in die Reihe der Geisteswissenschaftler a la Kittler, die kräftig daran beteiligt gewesen waren, den Geist aus den Geisteswissenschaften zu vertreiben.

Jürgen Habermas und Hans Blumenberg unterscheiden sich gegenseitig in einer spezifischen Weise darin, wie sie Husserls Lebensweltkonzept beerbt haben: Habermas geht von einer nach wie vor ‚intakten‘ Lebenswelt aus und Blumenberg von einer unwiederbringlich zerstörten Lebenswelt. Die Vorstellung einer intakten Lebenswelt, die alle Menschen miteinander teilen, entspricht Blumenberg zufolge der Vorstellung eines verlorengegangenen Paradieses. In einem solchen ‚paradiesischen‘ Zustand befand sich die Menschheit im größten Teil ihrer Geschichte, als sie noch keine Schrift kannte. Diese Phase der Menschheitsgeschichte setzt Blumenberg mit dem ‚Mythos‘ gleich, d.h. mit einer Form der Weltbewältigung, deren Hauptaufgabe darin bestand, Vertrauen in eine keineswegs paradiesische, sondern vielmehr lebensfeindliche Welt zu gewinnen. Ähnlich wie die Husserlsche Lebenswelt bildet der Mythos eine Bewußtseinsform, in der der Mensch keine Fragen stellt, weil die Mythen, die an den nächtlichen Lagerfeuern erzählt wurden, alle Fragen, noch bevor sie gestellt werden konnten, immer schon beantwortet hatten.

Die Schriftlichkeit hat dazu geführt, daß diese Mythen aufgeschrieben wurden, und auf diese Weise wurden sie befragbar gemacht. An die Stelle der Arbeit des Mythos trat nun die Arbeit am Mythos. Der Mythos bleibt weiterhin eine Orientierungshilfe im Leben des Menschen. Aber er hat nicht mehr die Kraft, den Zweifel und den Skeptizismus des Menschen zu unterdrücken.

Habermas hingegen geht, wie schon erwähnt, von einer intakten Lebenswelt aus, obwohl er paradoxerweise vor der „Kolonialisierung der Lebenswelt“ warnt. Mit Kolonialisierung meint er das Eindringen der ökonomischen und bürokratischen Systemimperative in den Lebensalltag der Menschen bis in die intimsten Privatbereiche hinein. Alles unterliegt einem ökonomistischen Verwertungszwang. Dennoch ist die Lebenswelt immer noch der Bereich bzw. der ‚Raum‘ der Gründe. Immer wenn Menschen zur Rechenschaft gezogen werden – und das werden sie ständig: „Warum hast Du das getan?“ – „Warum hast Du das gesagt?“ –, entnehmen sie ihre Gründe der Lebenswelt: „Weil man das so tut!“ – „Weil man das schon immer so gemacht hat!“.

Und je länger die Befragung dauert, je mehr sich jemand rechtfertigen muß, umso tiefer und weiter greift er aus, um sich seine Gründe aus der Lebenswelt zusammenzusuchen und sie zu explizieren. Die Lebenswelt ist also durchaus explizierbar. Sie steht für Deklarationen zur Verfügung. Habermas unterscheidet sich also von Husserl dadurch, daß die Lebenswelt bei ihm zwar auch zunächst unbewußt fungiert, aber trotzdem bewußt gemacht werden kann, wenn es nötig ist. Der Raum der Gründe, den die Lebenswelt umfaßt, ist aber immer unauslotbar. Wir können uns auf sie berufen, aber wir können sie niemals vollständig erfassen.

Dabei sollte man sich aber auch bewußt machen, daß ‚Gründe‘ bzw. ‚Argumente‘ nicht vorweg als solche definiert sind. Habermas erweckt den Eindruck, als lägen die Gründe fertig ausformuliert im lebensweltlichen Raum bereit und bräuchten dort nur gefunden und aufgegriffen zu werden. Aber Gründe sind keine fertigen, auf Falsifizierbarkeit und Reproduzierbarkeit ‚geeichten‘ Formeln. Als ‚Gründe‘ und ‚Argumente‘ erweisen sich die verschiedenen Behauptungen in einem Gespräch immer ad hoc, d.h. bezogen auf die Situation und ob die Kontrahenten bereit sind, sich auf die vorgetragenen ‚Argumente‘ einzulassen.

Ich sehe übrigens zwischen der Husserlschen ‚Lebenswelt‘ und dem, was Helmuth Plessner die ‚Seele‘ nennt, Parallelen. Beide bilden Formen des noli-me-tangere. Die Lebenswelt im Husserlschen Sinne ist genauso wenig ‚berührbar‘ wie die menschliche Seele. Die ‚Seele‘ ist gewissermaßen jener Aspekt der Lebenswelt, der sich immer schon auf der Grenze zwischen innen und außen befindet. Sie bildet die Grenze der individuellen Expressivität. In gewisser Weise ist die Seele die sich im Individuum verbesondernde Lebenswelt. Das Individuum erweist sich als beseelt, wenn es dem kollektiven Zwang der Lebenswelt zu entkommen versucht. Indem es sich seinen Ausdruck sucht und expressiv wird, gelingt es ihm beinahe auch. Doch Plessner hebt insbesondere den individualisierenden Effekt des Scheiterns hervor. Erst wo wir scheitern, fallen wir aus der Lebenswelt heraus und werden uns unserer selbst bewußt.

Deshalb besteht das ‚Innere‘ des Körpers auch nicht einfach aus Chemie und Physik, im Sinne eines weiteren Außen diesseits der Haut, als könnten wir sie umstülpen wie einen Handschuh. Das Innere bildet vielmehr einen Aspekt des Menschen, der nach Ausdruck sucht, also ein Moment seines Selbst- und Weltverhältnisses.
„2) Wie könnten die Geisteswissenschaften in Bezug auf die Themen der Naturwissenschaften zu den notwendig gesicherten und für jedermann überprüfbaren Erkenntnissen gelangen?“
Der Fokus der Frage richtet sich auf den Beitrag der Geisteswissenschaften zu den Naturwissenschaften. Ließe ich mich auf diesen Fokus ein, würde ich den Geisteswissenschaften einen Bärendienst erweisen. Ich hätte mit dieser Frage akzeptiert, daß die Geisteswissenschaften den Naturwissenschaften untergeordnet wären und nur als Hilfswissenschaft in Betracht gezogen werden können. Ich gehe aber davon aus, daß die Geisteswissenschaften einen eigenständigen Beitrag zur Wissenschaft insgesamt leisten und daß dieser Beitrag weniger interdisziplinär als vielmehr transdisziplinär begründet ist. Mit ‚transdisziplinär‘ meine ich, daß weder die Geisteswissenschaften noch die Naturwissenschaften ihren Sinn in sich selbst haben, im Sinne eines absoluten Wahrheitsanspruchs, sondern in Bezug auf den Menschen bzw. auf die menschliche Gesellschaft. Dieser transdisziplinäre Anspruch gilt für alle einzelwissenschaftlichen Disziplinen und beschränkt sich nicht auf die Geisteswissenschaften.

Bevor ich mich dieser Frage zuwende, will ich aber noch den Begriff der Geisteswissenschaft klären. Der Begriff des Geistes ist dabei ambivalent. ‚Geist‘ wird gerne mal mit ‚Ratio‘, mal mit ‚Kultur‘ gleichgesetzt. Als ‚Ratio‘ verstanden, droht dem Begriff des ‚Geistes‘ die Verengung auf eine spezifische ‚Rationalität‘, die wir im Zeitalter der Computerisierung gerne mit Berechenbarkeit gleichsetzen. Viele ‚Geisteswissenschaftler‘ versuchen deshalb, naturwissenschaftliche Methoden auch in die Geisteswissenschaften einzuführen und so, mit Friedrich Kittler gesprochen, den Geist aus den Geisteswissenschaften ‚auszutreiben‘. Der Begriff der ‚Ratio‘ ersetzt also den Begriff des Geistes.

Wird der Begriff des Geistes hingegen mit ‚Kultur‘ gleichgesetzt, droht eine Strukturalisierung des Geistbegriffs, in der das individuelle Moment des Geistes auf die Funktion von Knoten in Netzwerken reduziert wird. Auf diese Weise wird der geisteswissenschaftliche Forschungsbereich auf Kybernetik reduziert.

Auf die verschiedenen Inhalte, die der Geistbegriff zuvor im 18. und 19. Jhdt. speziell in Deutschland gehabt hatte, will ich hier nicht näher eingehen. Habermas zufolge ist dieser historische Dualismus zwischen Natur- und Geisteswissenschaften veraltet. So behauptet er es zumindestens in seiner „Theorie des kommunikativen Handelns“ (3/1985). In den beiden Bänden dieses Buches wird der Begriff der Geisteswissenschaft deshalb auch nicht mehr verwendet. Habermas spricht konsequent nur noch von den Sozialwissenschaften, die er den Naturwissenschaften methodisch gegenüberstellt. In seinem bislang letzten Buch, „Nachmetaphysisches Denken II“ (2012), spricht Habermas aber dann doch wieder von den Geisteswissenschaften. Dabei unterteilt er die Gegenstandsbereiche von Naturwissenschaften auf der einen Seite und von Geistes- und Sozialwissenschaften auf der anderen Seite dahingehend, daß die Naturwissenschaft die Welt als einen äußeren, objektiven Gegenstand auffaßt, während die Geistes- und Sozialwissenschaften die Welt als einen inneren, intersubjektiven Gegenstand auffassen. (Vgl. meinen Post vom 16.02.2013)

Abgesehen davon, daß diese Aufteilung hinsichtlich der Objektivität und der Intersubjektivität so nicht durchzuhalten ist, weil auch die Naturwissenschaft die Gültigkeit ihrer Forschungsergebnisse an der intersubjektiven Anerkennung durch die Forschergemeinschaft festmacht, verweist Habermas hier doch auf einen wichtigen Aspekt: auf die Differenz von Innen und Außen. Der Geistes- und Sozialwissenschaftler muß seinen Gegenstand subjektiv angeeignet haben, um ihn ‚objektiv‘, d.h. eben intersubjektiv plausibel beschreiben zu können. Diese Verbindung innerer Geisteszustände mit äußeren geistigen ‚Objekten‘, für die der Textbegriff steht – in den Geisteswissenschaften haben wir es immer mit ‚Texten‘ zu tun –, bedeutet, daß die Geisteswissenschaften wesentlich expressiv sind. Die ‚Gegenstände‘ der Geisteswissenschaften sind keine physischen Objekte der äußeren Welt, sondern in einem spezifischen Sinne ‚Ausdruck‘ unserer Menschlichkeit. Die Forscherpersönlichkeit ist deshalb ein unhintergehbarer Teil des Forschungsprozesses. Forschung bedeutet hier immer auch ‚Bildung‘.

Das ist der Grund, warum ich persönlich lieber von ‚Seele‘ als von ‚Geist‘ spreche. Helmuth Plessner verortet die Seele auf der Grenze zwischen innen und außen und bezeichnet sie als ein noli-me-tangere. Die ‚Seele‘ will sich einerseits ausdrücken und darstellen, andererseits aber schreckt sie vor der Sichtbarkeit, die sie auf eine bestimmte Identität festzulegen versucht, zurück. So viel zum Thema ‚gesicherte Erkenntnis‘ in den Geisteswissenschaften.

Die zentrale Methode der Geisteswissenschaften ist die Hermeneutik, also wiederum die ‚Textauslegung‘. Im geisteswissenschaftlichen Sinne ist alles ein ‚Text‘. Alles menschliche Handeln ist eine Form der Selbstdarstellung (siehe ‚Seele‘), also ein ‚Text‘. Auch das scheinbar bloß instrumentelle Handeln des Menschen ist eine Form der Selbstbestätigung. Sonst hätten unsere Vorfahren nicht seit vielen hunderttausend Jahren ihre Gerätschaften geschmückt und verziert. Alle geisteswissenschaftlichen Gegenstände bilden also Texte, und diese Texte tragen entsprechend der Innen/Außen-Differenz die Differenz zwischen meinen und sagen in sich. Wer Texte ‚lesen‘ will, muß sich in diese Texte hineinversetzen und ein Gespräch, einen Dialog mit ihnen führen wie mit einem realen Gesprächspartner. Der Hermeneutiker bezeichnet das als „hermeneutischen Zirkel“. In der Systemtheorie begegnen wir diesem hermeneutischen Zirkel als „Erwartungserwartung“. Gadamer spricht schlicht vom „Vorurteil“. Gleichviel ob mit realen menschlichen Gesprächspartnern oder ob mit kulturellen Objekten und ‚Texten‘ müssen wir uns von unseren eigenen Verstehensbedingungen her auf die vermuteten Absichten und Meinungen unserer ‚Gesprächspartner‘ einlassen, um uns auf diese Weise ein gemeinsames Verständnis von uns und der Welt zu erarbeiten. Ich selbst spreche in diesem Zusammenhang nicht von einem hermeneutischen Zirkel, sondern mit Michael Tomasello von „Rekursivität“. Beides läuft aber auf dasselbe hinaus

Zurück zu Deiner Frage: der Beitrag der Geisteswissenschaften zu den Themen der Naturwissenschaften ist der gleiche wie bei allen wissenschaftlichen Disziplinen. Ich folge Habermas in seiner Auffassung, daß beide Wissenschaftsbereiche der Alltagswelt des Menschen entspringen. Und die Menschen haben schon immer ein inneres und ein äußeres Verhältnis zu ihrer Welt. Diese beiden Sichtweisen haben sich in den Wissenschaften zu den Geistes- und Sozialwissenschaften einerseits und zu den Naturwissenschaften andererseits ausdifferenziert. Ihr gemeinsamer Zweck liegt im Bedürfnis des Menschen, sein eigenes Selbst- und Weltverhältnis besser zu verstehen und zu bewältigen. Deshalb liegt der gemeinsame Zweck der Wissenschaften nicht in sich selbst, sondern in diesem Bedürfnis des Menschen.

Mit Franz Fischer (1975) verstehe ich deshalb die Wissenschaft in ihren verschiedenen Disziplinen als einen sich wechselseitig ergänzenden Fragezusammenhang. Franz Fischer bezeichnet diesen Fragezusammenhang als Sinn von Sinn. In diesem transdisziplinären Rahmen verbindet jede Disziplin mit ihrem jeweiligen Gegenstand ganz spezifische Erkanntnisansprüche und kommt bei ihren Versuchen, diesen Gegenstand zu erfassen, an Grenzen. An diesen Grenzen stehen wiederum andere Disziplinen bereit, um die offen gebliebenen Fragen zu übernehmen und auf einer anderen Ebene mit anderen Methoden weiterzuführen. Wir haben es mit einem Prozeß des Meinens und Sagens zu tun. Das Gemeinte, das die eine Disziplin nur sagen kann, wird von einer anderen Disziplin übernommen und in eine neue Form des Sagens überführt. Ich habe diesen transdisziplinären Prozeß in einem Post zu Thomas Nagel detaillierter beschrieben. (Vgl. meinen Post vom 21.12.2013)

Ich habe die Fischersche Systematik des Sinns von Sinn in das Konzept eines dreifachen Entwicklungsprozesses aus biologischer und kultureller Evolution und individueller Entwicklung übersetzt, das ich meinem Blog zur Erkenntnisethik zugrundegelegt habe. Dabei beziehe ich inzwischen auch einen vierten Aspekt in diesen gestuften Entwicklungsprozeß mit ein: den der Geologie des Planeten, die man auch pauschal als Terraforming bezeichnen könnte und die die Voraussetzung für die biologische Evolution bildet. Im Rahmen dieses Entwicklungsprozesses leisten dann die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen ihren je begrenzten Beitrag zur Erklärung des Ganzen.

Von „notwendig gesicherten und für jedermann überprüfbaren Erkenntnissen“ kann hier nirgendwo die Rede sein. Denn der Endpunkt des Forschungs- und Wissensprozesses besteht nicht im kontinuierlichen Anhäufen von gesicherten Daten und auch nicht in ihrer immer problematisch bleibenden Interpretation, sondern in der Nützlichkeit der Wissenschaft für den Menschen. Dabei geht es nicht in erster Linie um Anwendung, sondern um Sinnerfüllung. Angesichts des gegenwärtigen Zustands der Wissenschaft bin ich allerdings schon der Meinung, daß den Geisteswissenschaften in Bezug auf die Naturwissenschaft noch ein zusätzlicher Auftrag zukommt: die ständige Erinnerung an die Begrenztheit der Aussagekraft naturwissenschaftlicher Forschung, als notwendiges Korrektiv zu ihrem scheinbar unbegrenzten technologischen Potential.

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