In der Kette der Wiedergeburten
wandern die Seelen nicht mit.
Doch die mondhellen Nächte, sie spurten
die See, und die Spur hielt Schritt.
wandern die Seelen nicht mit.
Doch die mondhellen Nächte, sie spurten
die See, und die Spur hielt Schritt.
„Wenn schon eine ganze Welt, auf Erkenntnis beruhend und ihrer ständig bedürftig, errichtet ist und ihren Gang geht, wie die der modernen Technik, wird der nach dem Grund ihrer Möglichkeit und nach ihren Sicherheitsgarantien Fragende zum Sokrates der Vergeblichkeit.“ (Blumenberg, Höhlenausgänge, S.169)
„Es ist eine Selbstentleerung. In der Massenpsychologie wird das als starke Identifizierung mit dem Führer erklärt. Alles, was er will und macht, ist gut. Dann ist es nicht möglich, sich gegen ihn zu wehren.“Bei dem Wort „Selbstentleerung“ horche ich auf. Auch Nishitani verwendet dieses Wort, um Praktiken im „Feld der Leere“ zu beschreiben. (Vgl. Nishitani, 1986, S.170u.ö.) Dabei wird aber nirgends erklärt, wovon genau sich das Feld der Leere entleert, es sei denn vom Selbst? Ich bin aus dem Begriff bis zum Schluß nicht wirklich schlau geworden.
„Verschiedene tibetische Lehrer brachten ihm Legitimation, indem sie OKC besuchten – bis heute. 1990 kam der Dalai Lama ins Zentrum in Brüssel. Seit 1991 war OKC unter der spirituellen Leitung von Shechen Rabjam und Pema Wangyal, zwei wichtigen Lehrern. Damals gab es schon etliche Opfer sexueller Gewalt.“Wenn Anna Sawerthal, die Autorin von „Missbrauch und Buddhismus“, schreibt: „Grundsätzlich wird das Ego als Hauptquelle allen Leidens im Buddhismus identifiziert. Wenn man Erleuchtung erlangen will, muss man die Egozentriertheit aufgeben. Das heißt nicht, dass man den Verstand ausschalten soll. Man soll ihn viel eher dazu benutzen, um die Flüchtigkeit und Bestandslosigkeit der Dinge zu verstehen.“ ‒ dann geht das am eigentlichen Problem vorbei. Denn mit dem Begriff „Egozentriertheit“ werden so verschiedene Phänomene wie Verstandesautonomie, Bedürftigkeit und Begehrungsvermögen zu einem einzigen unterschiedslosen Brei zusammengerührt, den dann der jeweilige Guru ganz nach seinem Belieben seinen Anhängern einflößen kann. Diesen Gurus geht es eben genau darum, zu ihrem eigenen Vorteil den Verstand ihrer Klientel auszuschalten. Und das Bedenkliche daran ist, daß sie dabei ohne Probleme auf zentrale buddhistische Formeln zurückgreifen können, weil es in diesen Formeln genau darum geht: Praktiken zu legitimieren, die den individuellen Verstand ausschalten.
„Selbst wenn sich aus dem Prozeß des existenzialen Ergründens des Seins, der im konkreten Leben des Menschen in der Welt von Geburt-und-Tod einsetzt, solche Aussagen (über das Feld der Leere ‒ DZ) zurecht ergeben, sind sie dann auch nach der Wendung von der samsarischen Welt (samsara: endlose Wiederholung von Geburt und Tod ‒ DZ) hin zum jenseitigen Ufer noch gültig?“ (Nishitani 1986, S.278)Es hört sich zunächst so an, als würde jetzt noch einmal alles, was Nishitani über das Feld der Leere geschrieben hat, wieder in Frage gestellt und als wäre das Feld der Leere selbst noch einmal zu einem „jenseitigen Ufer“ hin begrenzt. Dabei überrascht mich in dem Zitat das Wörtchen „zurecht“ (Hervorhebung von mir), das so harmlos daherkommt, womit aber Nishitani tatsächlich den Anspruch erhebt, daß alle seine bisherigen Ausführungen wohlbegründet gewesen seien und ihre ,Gültigkeit‛ erst jetzt angesichts des jenseitigen Ufers in Frage stünde. Von wohlbegründeten Ausführungen habe ich in meiner ganzen Lektüre bis zu diesem Moment aber nichts bemerkt. Alles basiert auf einer dem Verstand nicht zugänglichen Erleuchtung. Wo sie fehlt, kann sie niemandem etwas begründen.
„Da wir gewöhnlich in der Weise des bewußten Selbst-Seins existieren, halten wir uns selbst und den anderen als ,Menschen‛ für absolut getrennte Existenzen. Auf der Ebene aber, die unmittelbarer ist als die des personalen Selbstseins, sind das Selbst und der Andere, wiewohl als ,Personen‛ absolut geschieden, in dieser Dualität zugleich absolut nicht-dual in ihrer Impersonalität.“ (Nishitani 1986, S.139)Ich interpretierte die absolute Geschiedenheit zweier Personen, von der in diesem Zitat die Rede ist, als Bestätigung der Einzigkeit des Ich, wenn es Ich sagt, bei gleichzeitiger Anerkennung der Einzigkeit des Ich seines Mitmenschen, zu dem es Du sagt. Dann gehörte zur Einzigkeit des Ich untrennbar die Gleichheit des wechselseitigen Du, und beides wäre in gewisser Weise tatsächlich nicht-dual und transpersonal.
„Im Feld der Leere gibt es keinen Unterschied zwischen der Selbstzentriertheit bzw. dem auf sich selbst gerichteten Dasein und dem Auf-Anderes-Gerichtetsein. In unserem Dasein selbst sind beide eine Aufgabe, eine Berufung.“ (Nishitani 1986, S.393)Diesem Zitat kann ich ohne weiteres zustimmen und mit meiner Vorstellung von Ich=Du vereinbaren. Denn dieses Zitat sagt eine fundamentale Gleichheit zwischen mir und der bzw. dem Anderen aus, die sich im wechselseitigen Du als Ich bestätigen.
„Wenn dir ein Buddha begegnet, so töte ihn; wenn dir ein arhat (Heiliger ‒ DZ) begegnet, töte ihn; wenn dir Vater und Mutter begegnen, töte sie; wenn dir deine Verwandten begegnen, töte sie; erst dann wirst du Befreiung erlangen und in vollkommen unabhängigem Selbstsein leben, ohne in alle anderen Wesen verstrickt zu sein.“ (Nishitani 1986, S.393)Das ist eine Unmenschlichkeitsformel, die dem Mißbrauch im Umgang zwischen den Menschen Tür und Tor öffnet. Ich denke z.B. an psychoanalytisch geschulte Therapeuten ‒ bei denen es dann übrigens tatsächlich angebracht wäre, sie zu töten ‒, die ihrer Klientel qua Gedächtnismanipulation (Gehirnwäsche) einreden, sie wäre von ihren Eltern manipuliert und mißbraucht worden und um sich selbst zu finden, müßte sie sie ,töten‛, sie also mit diesem Mißbrauchsvorwurf konfrontieren und für immer verlassen. Daß sich die Betroffenen oft gar nicht an den Mißbrauch erinnern können, gilt dann als Beleg dafür, daß der Mißbrauch stattgefunden hat, weil er verdrängt worden ist.
„Wahre Selbstzentriertheit bedeutet, daß durch die absolute Negation des Selbst, die in der Umkehrung vom Feld des nihilum zum Feld der Leere und vom Feld des karma zu dem des Nicht-Selbst entsteht, das Selbst absolutes Zentrum wird.“ (Nishitani 1986, S.394)Das Paradox besteht also in der zusammengefaßten Formel: Selbst = Nicht-Selbst. Darin könnte man vielleicht auch wieder eine Entsprechung zu meiner Formel Ich = Du sehen. Tatsächlich aber zieht Nishitani aus seiner Formel den Schluß: „Da muß ein absolutes Töten des Selbst sein. Dieses Töten heißt auch das Töten der Buddhas und Patriarchen und alles Anderen.“ (Nishitani 1986, S.394)